Absage bei der Studienstiftung – Interview mit Charlott Resske

Charlott war auf dem Auswahlseminar der Studienstiftung des deutschen Volkes. Sie wurde nicht genommen. In einem Artikel im Tagesspiegel schreibt sie über ihren Frust und der Artikel geht schnell viral. Es wird unter Stipendiaten, Nicht-Aufgenommenen, und sogar Mitgliedern der Auswahlkommission heftig diskutiert.

Korbinian: Dein Artikel hat ja viel Liebe & Hass erzeugt. Wie fandest du die Reaktionen?

Charlott: Ich war erst einmal überrascht, dass es überhaupt so viele Reaktionen gab. Der Artikel war am Samstag unter den meist gelesenen Artikel vom Tagesspiegel. Es gab viel negative Kritik, aber auch viele positive Meinungen zu meinem Text – beides hat mich gefreut, denn es kommt mir auf die Aufmerksamkeit für das Thema an. Ich bin also zufrieden.

Gab es Unterschiede bei den Reaktionen von Stipendiaten und Nichtstipendiaten?

Ganz eindeutig. Der Artikel wurde in die Facebook-Gruppe der Stipendiaten gepostet – Freunde haben mich mit Screenshots versorgt, damit ich die Kommentare mitlesen konnte. Ich habe das Gefühl, einige fühlten sich von meinem Text angegriffen. Das ist schade. Aber ich habe den Artikel auch nicht für Stipendiaten geschrieben, sondern eben für jene Bewerber die gescheitert sind. Die stellen sich nämlich aus Scham oft ganz leise mit Selbstzweifeln in die Ecke.

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Charlott studiert Jura im 1. Semester und arbeitet in ihrer Freizeit als freie Journalistin.

Ich habe versucht diese Gefühle in dem Text offen auszusprechen. Klar, das können Stipendiaten oft nicht nachvollziehen – daher die unterschiedlichen Reaktionen.

Es ist ein sehr subjektiver und persönlicher Text geworden, meine eigene Erfahrung. Keine Allgemeingültigkeit, das verwechseln viele Kritiker. Ich habe von so vielen fremden Menschen aus ganz Deutschland Nachrichten bekommen, die sich bedankt haben für die Ehrlichkeit und den Mut. Und genau das war mein Ziel: den „Verlierern“ eine Stimme zu geben.

Einige Nachrichten kamen tatsächlich auch selbst von Stipendiaten der „Studienstiftung des deutschen Volkes“. Sie haben mich verstanden und bejaht, dass auch sie das Bewerbungsverfahren sehr zweifelhaft fanden – trotz ihrer Zusage.

Wenn du jetzt noch mal zu einem Seminar gehen würdest, würdest du etwas anders machen? Im Referat, in den Diskussionen, in den Gesprächen?

Erst mal würde ich mir genau überlegen, ob ich überhaupt noch mal zu so einem Seminar gehen würde. Mich persönlich hat das viel Kraft, Zeit und Geld gekostet. Andere Stiftungen haben meiner Meinung nach bessere Auswahlverfahren, z.B. Auswahlgespräche mit „Vertrauensdozenten“ an der eigenen Uni. Das ist für beide Seiten vom Aufwand fair. In genau so einem Bewerbungsprozess befinde ich mich übrigens gerade wieder und es fühlt sich viel besser an als bei der Studienstiftung des deutschen Volkes. Selbst wenn ich wieder abgelehnt werde, ist das okay, weil ich da tatsächlich etwas mitnehme – Feedback und die Chance mich weiterzuentwickeln.

Wie hast du dich auf das Auswahlseminar vorbereitet?

Im Vorhinein wurde immer gesagt, dass man außer des Vortrags nichts vorbereiten muss. Das habe ich genau so gemacht. Ich war bei dem Seminar so, wie ich wirklich bin. Daran würde ich nichts ändern, deswegen ärgere ich mich im Nachhinein auch nicht so sehr, nicht bei der Studienstiftung zu sein.


Tipp: Auch auf die Gespräche und die Diskussionen kann man sich sehr gut vorbereiten. Es gibt häufige Fehler, die du bei deiner Bewerbung vermeiden kannst. Wie du keinen dieser Fehler begehst und das Stipendium bekommst, zeigt dir Korbinian in seinem Buch Geheimnisse der Stipendiumsbewerbung.


Oft wird gesagt, man soll möglichst „authentisch“ sein – hattest du das Gefühl, du hättest dich verstellen müssen?

Schwere Frage, besonders weil ich eben nicht angenommen wurde. Vielleicht hätte ich mich tatsächlich verstellen müssen. Aber ich kann das nicht einschätzen, weil mir eben das Feedback fehlt. Ein Stipendium wäre es für mich definitiv nicht wert, meine eigene Persönlichkeit zu opfern.

Viel wurde über den Begriff „Elite“ diskutiert, den viele Stipendiaten kritisch sehen. Was bedeutet „Elite“ für dich?

Elite ist für mich eine exklusive Gruppe mit besonderen Rechten und Chancen, zu der man aber nur unter bestimmten Voraussetzungen Zugang erhält. Bei der Studienstiftung des deutschen Volkes werden für Stipendiaten Sprachkurse, Auslandsaufenthalte und vieles mehr finanziert. Das ist ein exklusiver Zugang zu Bildung, den nur Stipendiaten haben, weil sie als „höher qualifiziert“ eingeschätzt werden.

Oft hört man von Leuten, die genommen werden, dass alles extrem einfach war. Leute die nicht genommen werden, finden die Gespräche meistens unangenehm und schwierig. Hast du das Gefühl, es lag an deinen Gesprächspartnern?

Tatsächlich hatte ich gute Gespräche mit meinen Gesprächspartnern. Das macht es für mich sogar noch schlimmer: War ich so naiv, alles falsch einzuschätzen?

Natürlich ist das ganze Verfahren sehr subjektiv, weil immer andere Menschen eine Rolle bei der Auswahl spielen. Das macht den Prozess etwas menschlicher – was vielleicht gut ist. Man darf halt nur nicht das Feedback vergessen, sonst wirkt es schnell willkürlich.

Hätte es dir dann geholfen, nach dem Wochenende mehr Feedback darüber zu erhalten, warum es nicht geklappt hat?

Auf jeden Fall. Das ist auch eigentlich mein Appell an die Studienstiftung. Erhöht den Mehrwert eurer Seminare. Ihr versorgt die „Gewinner“ mit so viel materieller und ideeller Unterstützung. Die „Verlierer“ haben nichts, außer diesen kleinen Brief. Wenigstens Feedback sollte möglich sein. So wird die Entscheidung nämlich auch transparenter und einfacher zu akzeptieren.

2 Kommentare zu „Absage bei der Studienstiftung – Interview mit Charlott Resske

  • Hallo,

    auch ich bin ein solcher Verlierer der Studienstiftung. Ich kann mich nur Charlott anschließen. Einige gehen nach dem Seminar mit einem guten Gefühl nach Hause, andere eher mit einem Schlechten. Und das Problem ist, dass beide Seiten von der Entscheidung der Stiftung überrascht sind. Ich selbst zweifle die Fairness und Transparenz bei der Entscheidung über zukünftige Stipendiaten auch an. Meiner Meinung wäre ein besserer Zugang über die Universitäten. Denn dort kann man die Studierende über mehrere Semester besser beurteilen. Auch die Meinung von Dozenten, die einen empfehlen, sollte höher geschätzt werden.

    Vielen Dank für den Mut Charlott!
    Manuel

    • Hallo Manuel,

      Das stimmt auf jeden Fall. Es gibt Stipendien, die extra nach dem Seminar noch Feedback geben (nicht schriftlich, aber in Gespräch). Das finde ich sehr gut.

      Allgemein kann ich nur dazu raten, es weiter zu probieren. Manche Kommilitonen von mir haben es erst im 3. Anlauf geschafft. Wenn man sich noch einmal bewirbt, zeigt das der Auswahlkommission, dass man es auch wirklich will. Das wurde bisher nur positiv bewertet.

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